Gilbert Keith Chesterton (1874-1936) war ein Vollblutjournalist, ein Vielschreiber, ein atemberaubend vielseitiger Meister aller Klassen. Ob Essays in Literaturkritik, Philosophie oder Gesellschaftspolitik; ob Romane, Theaterstücke oder Gedichte; ob Kolumnen, Debatten oder Vorträge; in beinahe allen literarischen Sparten hat Chesterton neben viel Gelegenheitsarbeit auch Meisterwerke hinterlassen. Er war ein hellwacher, scharfsinniger Zeitgenosse, dessen gesellschaftliche und politische Analysen nach wie vor von verblüffender Brisanz sind.
Dieser wuchtige Mann mit wildem Haarschopf, hastig übergeworfenem Radmantel und zerknautschtem Schlapphut, der sich lustvoll und mit scharfem Witz in jede Debatte stürzte, war jedoch zuallererst und zutiefst ein empfindsamer Poet. Als junger Mann war Chesterton durch eine tiefe Lebenskrise gegangen, in der ihm die Wirklichkeit keinen Halt mehr geben konnte. Er suchte sein Glück in spiritistischen Kreisen und spielte bedrohlich mit suizidalen Gedanken. Erst dank seiner Frau Frances fand Chesterton zu einer Lebensfreude zurück, die sein ganzes Werk prägen sollte. Und so schrieb Franz Kafka über ihn: „Er ist so lustig, dass man fast glauben könnte, er habe Gott gefunden.“
Auch Jose Luis Borges erkannte, dass Chestertons Witz und Poesie nicht von einer naiven, schwärmerischen Frohnatur stammen konnte. Er beschrieb Chesterton als einen „in sich gekehrten Menschen, der das Grauen der Dinge spürte. Sein Werk bezeugt es uns gegen seinen Willen. So vergleicht er die Gewächse eines Gartens mit angeketteten Tieren, den Marmor mit erstarrtem Mondlicht und die Nacht mit einer Wolke, die grösser ist als die Welt, ein Ungeheuer, das aus Augen besteht.“
Chesterton selbst liess seine berühmteste Figur, den Meisterdetektiv Father Brown, einmal sagen: „Ich bin ein Mensch und habe daher alle Teufel in meinem Herzen.“ Das macht Chestertons atemberaubendes Werk, das 34 dicke Bände füllt, so aussergewöhnlich: Es war das Werk eines Genesenen.