Zum Stück und zur Inszenierung (2020/21)

Was macht der ganz normale Bürowahnsinn mit den Angestellten? Fünf Arbeitnehmer treffen sich vor der Tür zum Chef. Sie alle verbringen ihre Lebenszeit mehrheitlich im Büro: «Wann ich das letzte Mal abends weggegangen bin, einfach so… – Ja, bei mir auch, ich kann mich noch erinnern, dass Mittelscheitel Mode war». Sie machen sich gegenseitig nieder, brechen in Panik aus, streuen Gerüchte. Sie bilden immer wieder neue Bündnisse und Koalitionen, um den Anderen auf der Karriereleiter zuvorzukommen oder um es dem Chef – in einem Anflug von Kollektivgeist – mal so richtig zu zeigen. Doch wenn die Angestellten aus seinem Büro zurückkehren – mit einem Messer im Rücken, einen Kopf kürzer gemacht oder das Gesicht verloren, was durchaus wörtlich zu verstehen ist, – hat der Chef sie mal wieder auf ihren Platz verwiesen.

Das Stück konzentriert sich auf das Verhalten der Figuren im Büroalltag. Zunächst erscheinen sie stereotyp: der selbstsichere Karrierehengst, der Möchtegern-Casanova, die knallharte Emanze, die soziale Kollegin, der Aussenseiter… Doch im zweiten Teil des Stückes kippt die Handlung unvermittelt vom Grotesken ins Dramatische, und die fünf Charaktere fallen aus ihrer Bürorolle, offenbaren ihre Sehnsüchte und Wünsche und deren Unerfüllbarkeit: «Ich will der Scherbenhaufen sein, der ich bin, ich will überflüssig sein, ich will das sein dürfen, was ich bin: kaputt». Und wenn sie im Epilog gemeinsam der Tür zum Chef den Rücken kehren und von der Toilette aus ein Lied singen, bedarf es keiner Regieanweisung, um zu wissen: es kann nur auf der Metaebene passieren.

Lausunds Stück spiegelt nicht nur unsere Gesellschaft mit dem stetigen Konkurrenzkampf und dem Zwang zum positiven Denken wider. Es präsentiert eine Gruppe Menschen, die Angst hat vor dem Ungewissen. Die Sicherheit eines Jobs hat für die Charaktere höchste Priorität. Die Inszenierung der dramateure fokussiert sich nicht nur auf die überzeichneten Szenen, mit denen sich jeder Zuschauer an die eine oder andere Situation aus dem eigenen Arbeitsalltag erinnert fühlt. Sie geht auch der Frage nach, warum eben diese Sicherheit wichtiger ist, als glücklich zu sein und sich zu verwirklichen. Die Figuren glauben zu wissen, wie sich sich gegenseitig ausspielen und den besten Eindruck auf den Chef machen können. Jedoch lernen sie im Verlauf der Inszenierung immer mehr darüber, was es heisst, ehrlich zu sich selbst und zu den Anderen zu sein. In der Bühnensprache steht für dieses Verlangen nach Aufrichtigkeit der aufrechte Gang: «Ich will wieder eine Wirbelsäule, und ich will was sein, was wieder grade geht».

Regisseurin Evelina Stampa setzt den Akzent auf die Dramaturgie der einzelnen Szenen, um den roten Faden des gesamten Stücks zu verdeutlichen. Dabei ist die emotionale Lage der Figuren ausschlaggebend. Für Evelina Stampa ist es besonders wichtig, dass die Schauspieler ihre eigenen, privaten Erfahrungen in die Produktion mit einfliessen lassen und den Figuren auf diese Weise eine realistische Dimension verleihen. Zu diesem Zweck hat sie mit den Schauspielern intensive Gespräche über die Beweggründe und die Ängste der Figuren geführt. So kann den überspitzten und grotesken Szenen eine klare psychologische Motivation zugrunde gelegt werden. Da Stampa ursprünglich aus dem Tanztheaterbereich kommt, bringt sie die rhythmische Dimension des aus Episoden zusammengefügten Stücks in passenden Choreographien zum Ausdruck.

Kommentare sind geschlossen.